Das Lager Garaison 1914-1919

Die „Nomadenerbtümer“ entstammen einem vergessenen oder verdrängten Kapitel von Notre-Dame de Garaison. 1914 wird in dieser leerstehenden religiösen Schule ein Internierungslager errichtet, wo fernab der Front neben wehrpflichtigen Männern Familien, Frauen und Kinder gefangen gehalten werden. Viele von ihnen leben seit mehreren Jahren in Frankreich oder sind dort geboren. Unter verschiedenen Bezeichnungen wie u.a. „Konzentrationslager“, „Landwirtschaftskolonie“ oder „Geisellager“ vereint Garaison zahlreiche zivile Staatsangehörige aller Nationalitäten der Großmächte, die sich damals im Krieg gegen Frankreich befinden: Deutsche, Österreicher, Angehörige der österreichisch-ungarischen Monarchie (Ungaren, Tschechen, Polen…), Osmanen und nicht zu vergessen, Elsässer und Lothringer. Eine Einführung dazu findet sich im Werk von J. Cubéro, Le camp de Garaison. Guerre et nationalités 1914-1919 (Éditions Cairn, 2017).

© D. Mur, loucrup65.fr

Das Lager öffnet am 7. September 1914 seine Pforten und schließt 1919, einige Monate nach der Unterzeichnung des Friedensvertrags von Versailles. Da es darum geht, die Wehrpflichtigen davon abzuhalten, in ihr Vaterland zurückzukehren, um die Ränge der feindlichen Armeen zu vergrößern, wurden Frauen, Kinder und über sechzig Jahre alte sowie invalide oder unheilbare Männer ab November 1914 über die Schweiz ausgewiesen.

Am 31. Juli 1918 schätzt die Leitung des Lagers die Anzahl der Menschen, die sich dort aufgehalten haben, auf 2130 Personen. Darunter befinden sich im Jahr 1917 auch Doktor Albert Schweitzer und seine Frau, die Gabun als Deutsche auf französischem Hoheitsgebiet verlassen müssen und elf Monate in einer Kaserne in der Nähe von Bordeaux, anschließend in Garaison und Saint-Rémy-de-Provence interniert werden. Der Philosoph schreibt darüber in Aus meinem Leben und Denken (F. Meiner Verlag, 1931).

© X. Delagnes

1923 kaufen ehemalige Schüler das Gebäude zurück: Die Kleriker und die Schule nehmen ihren Platz wieder ein, die Spuren des Lagers werden so gut wie möglich verwischt. So wird zum Beispiel eine Statue des heidnischen Fauns zerstört, die der deutsche Bildhauer Johnny Büchs (1878-1963), der von 1915 bis 1917 in Garaison interniert war, auf dem Brunnen des großen Vorplatzes errichtete.

Garaison heute

Heute ist Notre-Dame de Garaison eine unter Organisationsvertrag mit dem Staat stehende private gemischte schulische Einrichtung. Das Antlitz des Ortes hat sich verändert, aber es bestehen noch Überreste der Vergangenheit von 1914-1918: hier eine Bäckerei, dort eine von den Internierten erbaute Werkstatt oder das Zimmer des Ehepaares Schweitzer. Mehr

Website: www.garaison.com