Dirce Marzoli leitet seit 2007 in Kooperation mit dem Centro de Estudios Fenicios y Púnicos (vertreten durch José Suárez Padilla) und der Gemeinde Manilva (vertreten durch César León Martín), interdisziplinär konzipierte Ausgrabungen in Los Castillejos de Alcorrín Fundplatz, der 1998 zufällig entdeckt wurde.
Die Lage, Größe und die Mächtigkeit der Befestigung und die guten archäologischen Bedingungen machen Los Castillejos de Alcorrín zu einem viel versprechenden Forschungsobjekt für Fragen nach den ersten Kontakten zwischen der einheimischen und der phönizischen Bevölkerung im Umfeld der Meeresenge von Gibraltar. Ähnlich wie Silla del Papa (Tarifa) nimmt es in dem endbronze- bis früheisenzeitlichem Umfeld Südspaniens eine Sonderstellung ein. Die strategische Position, die außergewöhnliche Größe der Anlage und die komplexe innere und äußere Befestigung, die nicht nur das Plateau, sondern mittels Vorposten auch das umliegende Gelände mit einbezieht, zeugen von seiner hervorragenden Machtkonzentration. Los Castillejos de Alcorrín ist mit 13 Hektar Innenfläche und seiner über 2000 m langen Befestigungsmauer die umfangreichste bisher bekannte einheimische befestigte Siedlung an der Nordostgrenze des ‘tartessischen’ Kulturraumes. Sie kontrollierte den Zugang zum erzreichen Hinterland nördlich der Mündung des Río Guadiaro, wo bei Montilla (Cádiz) gleichzeitig mit der Entstehung von Los Castillejos de Alcorrín eine einheimische und eine phönizische Niederlassung gegründet wurde.
Los Castillejos de Alcorrín wurde gemäß 14C-Altern am Ende des 9. Jh. v. Chr. errichtet. Gleichzeitig mit der äußeren Befestigung und ihren neun, teilweise noch 11 m hoch erhaltenen Bastionen an der Ostfront, entstanden die innere Befestigung und die Innenbebauung, von der bisher große Teile von zwei komplexen Gebäuden ausgegraben wurden. Ihre bauliche Ausführung folgt ein und demselben Konzept, dem offensichtlich ein Einheitsmaß zugrunde liegt. Erhalten sind die Steinsockel und Böden. Spuren der aufgehenden Wände aus luftgetrockneten Lehmziegeln sind stellenweise noch im Versturz zu beobachten. Vor den Eingangsbereichen der Gebäude und entlang der Außenwände liegen jeweils 150 cm breite muschelgepflasterte Böden, ein beachtenswerter Befund, der Vorbilder im Vorderen Orient findet und für den es auf der Iberischen Halbinsel in diesem Ausmaß nur im Heiligtum auf dem Carambolo (Sevilla) einen Vergleich gibt. Die Gebäude, deren Funktion noch nicht gedeutet werden kann, sind die ältesten Rechteckbauten der Region, in der die gängigen Wohnbauten jener Zeit Hütten aus vergänglichem Material mit rundem oder ovalem Grundriss waren. Einer etwa in Acinipo bei Ronda (Málaga) am Oberlauf des Guadiaro belegten Bautradition folgend, befinden sich vor den Eingängen der Gebäude trapezförmige Vorbauten, die in Los Castillejos de Alcorrín mit Muscheln gepflastert sind.
Auffallend ist in Los Castillejos de Alcorrín die insgesamt geringe Anzahl mobiler Funde, doch reichen sie aus, um die Anlage der Endphase der einheimischen Bronzezeit zuzuweisen und einen Kontakt mit Phöniziern zu belegen. Bei über 95% der Keramikfunde handelt es sich um handgemachte einheimische Ware, der Rest besteht jedoch aus westphönizischer Drehscheibenware. Hervorzuheben ist einheimische Keramik mit phönizischen Graffiti, die mit zu den ältesten der Iberischen Halbinsel zählen.
Außergewöhnlich ist zudem, dass sich im Boden kaum organisches Material erhalten hat, sodass die Ausgrabung trotz der minutiösen Dokumentation keine direkten Belege für eine Rekonstruktion des natürlichen Umfeldes liefert. Die in diesem Antrag vorgesehenen Untersuchungen in ‚forschungsgünstigen Archiven‘ in nahen Flussmündungsgebieten sind damit von besonders großem Interesse.
Die bisherigen Ergebnisse der Ausgrabungen in Los Castillejos de Alcorrín lassen noch nicht klar erkennen, worin die Bedeutung der befestigten Siedlung bestand. Zu den wirtschaftlich genutzten lokalen Ressourcen gehörte jedenfalls das Eisen, von dem Schlacken gefunden wurden – sie gehören zu den ältesten Eisenfunden Europas! –, die offenbar auf eine Ausbeutung von Metallvorkommen im nahen Umfeld weisen. Bemerkenswert ist, dass die Schlacken eine Technik in der Metallverarbeitung erkennen lassen, deren Tradition im Vorderen Orient verankert ist.
Aus noch unbekannten Gründen wurde die befestigte Siedlung kurz nach 800 v. Chr. offenbar planmäßig verlassen. Spuren von Zerstörungen sind nicht belegt. Die Aufgabe der Siedlung fällt in dieselbe Epoche wie der große Ausbau der phönizischen Faktoreien an der Küste und wie die Errichtung von befestigten Siedlungen im Hinterland.
Genutzt wurde der Platz erst wieder in spätrömischer Zeit, wenn auch nur ausgesprochen punktuell. Da es sich um ein rechtlich geschütztes archäologisches Gelände handelt (B.I.C), wurde es vor den verheerenden urbanistischen Expansionen geschont.
Los Castillejos de Alcorrín bietet ein einmaliges ‘Forschungslabor’ für die einschlägige historische Phase an der Wende zwischen Endbronze- und Früher Eisenzeit: die letzten Jahrzehnte des 9. und das 8. Jh. v. Chr., in dem sich durch die Verbindung mit den Phöniziern neue Wirtschaftsräume öffneten, neue Sozialformen und Lebensweisen entwickelten, neue Nutzungsformen natürlicher Ressourcen entstanden, deren Auswirkung sich auch im Landschaftsbild abzeichnen müssten.